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Linnemann im Kreuzfeuer: Psychisch Kranke oder Gefahr für die Gesellschaft?

Nach dem Attentat in Magdeburg, das fünf Todesopfer forderte, diskutiert Politiker Linnemann über psychische Erkrankungen als Risikofaktor. Kritiker warnen vor Stigmatisierung.

In der Diskussion um die Ursachen von Gewalt und Terrorismus rückt das Thema psychische Erkrankungen zunehmend in den Fokus. Auslöser für die aktuelle Debatte war das verheerende Attentat von Magdeburg kurz vor Weihnachten, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen und über 200 verletzt wurden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann sprach in einem Interview über „psychisch kranke Gewalttäter“ und thematisierte die hohe Gewaltbereitschaft von Personen mit psychischen Auffälligkeiten. Er stellte klar, dass es ihm nicht um ein Register für psychisch erkrankte Menschen gehe, sondern um die Prävention gegen solche Täter. Linnemann betonte, dass falsche Darstellungen über Kandidaten und Parteien die Politikverdrossenheit erhöhen und Extremisten stärken könnten. Seine Äußerungen wurden heftig kritisiert, insbesondere von Charlotte Neuhäuser, der Bundestagskandidatin der Linken, die die pauschale Stigmatisierung psychisch Kranker als diskriminierend erachtete.

Der Attentäter von Magdeburg, Taleb A., ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien, wird von Terrorismusforscher Peter Neumann als möglicherweise psychisch krank eingestuft. Neumann erläuterte, dass der Tätertypus oftmals durch persönliche Motivlagen, Wahnvorstellungen und psychische Erkrankungen gekennzeichnet sei. Taleb A. radikalisierte sich über zwei Jahre und entwickelte eine Feindschaft gegenüber Deutschland, die er mit der vermeintlichen Flüchtlingspolitik des Landes in Verbindung brachte. Neumann nahm an, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland besser auf derartige Fälle vorbereitet sein müssen. Kritiker warnen davor, dass solche Anschläge die Polarisierung der Gesellschaft nur weiter verstärken und Extremisten in die Karten spielen.

Psychische Erkrankungen und Gewalt

Im Zusammenhang mit der Diskussion um psychische Erkrankungen und Gewaltanstiftungen muss betont werden, dass nicht alle Gewalttaten auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind. Laut Erkenntnissen aus der Forschung sind psychische Erkrankungen zwar ein Risikofaktor, jedoch nicht der einzige Grund für Radikalisierung. Gewalt und Aggressivität sind allgemein menschliche Phänomene und können in verschiedenen Kontexten, beispielsweise im Sport, auch ritualisiert auftreten.

Forensische Psychiater wie Professor Henning Saß haben untersucht, unter welchen Bedingungen psychisch kranke Personen gewalttätig werden. Sie identifizieren mehrere Faktoren, die dazu führen können, darunter eine erhöhte Aggressionsbereitschaft in Zeiten psychischer Verstimmung und Fehlwahrnehmungen der Umwelt. Studien belegen ein leicht erhöhtes Risiko für Gewaltanwendung bei bestimmten psychischen Störungen, insbesondere bei Psychosen wie Schizophrenie. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass terroristische Handlungen meist durch ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren bedingt sind und nicht nur auf psychische Probleme zurückgeführt werden sollten.

Ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren

Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die Radikalisierung in terroristischen Gruppen viele Gesichter hat. Menschen, die sich solchen Organisationen anschließen, tun dies häufig aus politischen Gründen oder als Reaktion auf Lebenskrisen. Die Bahn zur Radikalisierung ist nicht exklusiv solchen mit psychischen Erkrankungen vorbehalten; auch psychisch gesunde Menschen können sich politisch motiviert radikalisieren.

Die Notwendigkeit eines besseren Verständnisses von psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft steht im Raum, um Stigmatisierung abzubauen und gleichzeitig präventive Maßnahmen zu entwickeln. Experten fordern verstärkt Aufklärung über Gewalt, Radikalisierung und die Rolle von psychischen Erkrankungen in diesem Kontext. Auch die Bedeutung von politischer Bildung und sozialarbeiterischer Unterstützung sowie De-Radikalisierungsprogrammen wird hervorgehoben, um ein besseres gesellschaftliches Miteinander zu fördern.

Die komplexen Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen, Gewalt und Radikalisierung erfordern eine differenzierte Betrachtung, um gefährliche Verallgemeinerungen zu vermeiden und der Vielzahl von Ursachen für gewalttätiges Verhalten gerecht zu werden.

Für weitere Informationen zu den Äußerungen von Carsten Linnemann und den hintergründen des Magdeburger Attentats lesen Sie Westfalen-Blatt, BR.de und Deutschlandfunk.

Referenz 1
www.westfalen-blatt.de
Referenz 2
www.br.de
Referenz 3
www.deutschlandfunk.de
Quellen gesamt
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